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Beitrag vom 23.07.2017
Lana Del Rey - Lust for Life
Christina Mohr
"Lust for Life" - will Lana Del Rey ("Born To Die", 2012, "Ultraviolence", 2014, "Honeymoon", 2015) - ihre Fans mit diesem Albumtitel auf den Arm nehmen? Schließlich steht die 32-jährige Kalifornierin seit vier Alben für melancholische Lethargie...
... aber mag die Welt von Elizabeth Woolridge Grant alias Lana Del Rey auch aus vielen popkulturellen Zitaten bestehen (wie eben die Referenz an Iggy Pops Hit "Lust for Life"), eins ist sie ganz sicher nicht: eindeutig.
Und so sind es die Widersprüche, die sich auf Lana Del Reys neuem Album zu einem neuen Entwicklungsschritt formen.
Seit ihrem Durchbruch 2011 mit "Video Games", dieser so vage-verschwommenen wie zutreffenden Lagebeschreibung juveniler Gefühlszustände changiert die Kunstfigur Lana Del Rey zwischen unverhohlener Nostalgie und der Sehnsucht nach einer besseren Vergangenheit in Technicolor, die es sowieso nie gab, und einer sehr heutigen Verortung in HipHop-Beats und Instagram-Profilen. Dass Lana Del Rey sich einen 50er-Jahre-Filmstar-Künstlerinnennamen gab und mit schläfriger, vermeintlich gleichgültiger Stimme eine somnambule Divenperformance bietet, macht ihr Image rätselhaft und ungreifbar, aber auch ungemein anziehend.
Weil sich die Sängerin und Komponistin bisher hauptsächlich als trauriges Mädchen mit Schmollmund und Todessehnsucht inszenierte, ist die Freude über eine lächelnde Lana auf dem Albumcover groß – und tatsächlich gibt es einige Überraschungen auf "Lust for Life", Lanas Inkarnation als politisch bewusste Künstlerin beispielsweise: Mit "God Bless America – and all the beautiful women in it" und "When the World was at war we kept dancing" kommentiert sie die Lage der USA unter der Herrschaft von Präsident Trump. Sie konnte dazu nicht schweigen, sagte sie unlängst in einem Interview. Womit auch nicht zu rechnen war, ist die Festival-Hymne "Coachella – Woodstock in my mind", mit diesem Song erinnert Del Rey an einen ihrer intensivsten Auftritte im vergangenen Jahr – und dass in "Beautiful People, Beautiful Problems" die leibhaftige Stevie Nicks
mitsingt, ist ein weiteres Indiz für Lanas Hippie-Faible. Nicks und The Weeknd sind nicht die einzigen prominenten Kollaborateurinnen: Sean Ono Lennon ist bei "Tomorrow Never Came" (nicht zufällig an "Tomorrow Never Knows" von den Beatles angelehnt) dabei, A$AP Rocky und Playboi Carti bringen mit "Groupie Love" und "Summer Bummer" Lanas HipHop-Phase zurück. Die übrigen Stücke sind vorwiegend Balladen über unglückliche Beziehungen, die Laszivität, Traurigkeit und Trägheit gleichermaßen verbreiten – und damit im Gegensatz zum Albumtitel stehen. Diskrepanzen wie diese löst Lana Del Rey in sich selber auf: Was sie tut und wie sie arbeitet, würde bei jeder anderen lächerlich wirken. Del Rey, die anti-authentische Kunstfigur, erreicht dagegen mit ihrer Musik eine beinah schmerzhafte Wahrheit. Die Blümchen im Haar sind notwendiges Dekor gegen die Verzweiflung.
AVIVA-Tipp: Die sechzehn Songs auf "Lust for Life" mögen als Ganzes schwer verdaulich sein – strafen aber vor allem jene Lügen, die Lana Del Rey für eine nicht ernstzunehmende Eintagsfliege hielten. Die Frau fängt gerade erst richtig an...
Lana Del Rey im Netz:
www.lanadelray.com und www.facebook.com/lanadelrey
Lana Del Rey
Lust for Life
CD, VÖ 21. Juli 2017
16 Tracks
Interscope/Universal
Album Tracklist "Lust For Life":
01. Love
02. Lust For Life ft. THE WEEKND
03. 13 Beaches
04. Cherry
05. White Mustang
06. Summer Bummer ft. A$AP ROCKY & PLAYBOI CARTI
07. Groupie Love ft. A$AP ROCKY
08. In My Feelings
09. Coachella - Woodstock In My Mind
10. God Bless America - And All the Beautiful Women In It
11. When The World Was At War We Kept Dancing
12. Beautiful People Beautiful Problems ft. STEVIE NICKS
13. Tomorrow Never Came ft. SEAN ONO LENNON
14. Heroin
15. Change
16. Get Free
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Lana Del Rey – Ultraviolence
Zwei Jahre nach dem weltweit enorm erfolgreichen Album "Born To Die" ist Elizabeth Woolridge Grant alias Lana Del Rey mit ihrer neuen Platte "Ultraviolence" wieder da. Nicht wenige Leute haben mit Lana Del Rey Probleme, nachzulesen aktuell auf Brian Wilsons Facebook-Seite: als der ehemalige Beach Boy bekannt gab, dass auf seinem neuen Album Duette mit u.a. Zooey Deschanel, Frank Ocean und eben Lana Del Rey zu hören sein werden, posteten mutmaßliche "Alt-Achtundsechziger" höchst unfreundliche Kommentare.
Die Essenz: Brian Wilson macht quasi unantastbar gute Musik, die nicht von einer Lana Del Rey "beschmutzt" werden soll. Wilson verteidigte seine GastsängerInnen und ermahnte seine Fans, sich doch erstmal das fertige Album anzuhören, bevor sie herummeckern. Gut so. (2014)
Lana Del Rey - Born To Die
Ja, Lana Del Rey ist ein KünstlerInnenname. Ja, vieles an der Biografie und dem Auftreten dieser Künstlerin mag etwas inszeniert wirken. Aber Lizzy Grant aus Lake Placid ist nicht die erste, die sich neu erfindet, um ihre Kunst zu machen. Auf keinen Fall sollen hier ihre Lippen diskutiert werden, wie es an anderer Stelle zu oft geschehen ist. Und auch nicht, wie "echt" diese Lana denn nun ist, sondern nur, wie gut ihr Debütalbum ist. (2012)